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60. Hessensternflug am 15.Juni 2024 in Breitscheid-Haiger (EDGB).

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Vom Aix an Italiens Adriaküste

„Hi Sir, Avgas 100 LL ist verfügbar und Parken kein Problem. Sie können bleiben, solange Sie möchten“, lautet die freundliche Mail des Teams vom venezianischen Flugplatz „Giovanni Nicelli“. Nachdem Sabine und Max Unger wissen, dass ihre PA-28 dort gut untergebracht ist, können sie ihren Fliegerurlaub von Aix-les-Milles nach Venedig planen.

 

Mit dem Auto reisen wir von Frankfurt in die Provence. Unser Ziel heißt mal wieder Aix-les-Milles, das gleich neben Aix-en-Provence im Süden Frankreichs liegt. Im Frühjahr sind die Temperaturen hier sehr angenehm. Der Anblick blühender Mohnfelder und Oleanderbäume  im schönen Licht des Südens ist ein Genuss. Am nächsten Morgen treffen wir Arnd Helmetag, der hier die Flugschule AeroZing mit Vercharterung betreibt. „Hallo ihr Beiden, ich habe euch die Piper A28 F-GFLZ , die kürzlich einen neuen Motor bekommen hat, gebucht.  Jetzt muss nur noch das Wetter mitspielen“, grüßt Arnd fröhlich. Leider zieht laut Wettervorhersage ein Tief von den Alpen rein und auf der geplanten Flugroute über dem italienischen Festland befinden sich kräftige Gewitter. Bei diesen Aussichten ist es besser, den Flug um einen Tag zu verschieben. Schöne Stunden verbringen wir also erstmal in Aix-en-Provence, schlendern durch Marseilles‘ belebten Hafen und haben abends Zeit, mit Arnd und seiner Freundin Corinne bei einem Glas Rose Neuigkeiten auszutauschen.

Dies ist schon unser dritter Aufenthalt in Aix bei Aerozing. Wir nutzen gern den guten Service der Flugschule unter deutscher Leitung für unsere Urlaubsflüge im Süden.

Am nächsten Tag lassen wir es gemütlich angehen, studieren erneut Notams und das Wetter. Es soll im Tagesverlauf immer besser werden. Der vollgetankt bereitstehende Flieger ist bald gepackt und gecheckt. Die 180 Liter Avgas  in den Flügeln reichen für mindestens 4,5 Flugstunden. Da Genua etwa auf der Hälfte der Strecke liegt, sollte die Hafenstadt somit  in spätestens 2 Stunden erreicht sein, ohne dort einen Tankstopp einlegen zu müssen. Auch das Schlauchboot und die obligatorischen Schwimmwesten lassen sich gut verstauen.

Um 12 Uhr geht´s los. Wir nehmen Funkkontakt zum Tower von Les Milles auf, bitten den Lotsen, unseren Flugplan zu öffnen und starten auf der Piste 32.  Kurz darauf steht der Funkkontakt mit Provence Info bei östlichem Kurs Richtung Cote dÁzur. Entlang der französischen Küste und Monaco geht´s mit 5 Knoten Rückenwind;  nach 60 Minuten ist Menton erreicht und die Grenze zu Italien passiert.

Hier beginnt „das Land, wo die Zitronen blühn“. Aufgrund des günstigen, milden Klimas wird dieser Teil der ligurischen Küste auch Blumenriviera (Riviera dei Fiori) genannt. Das Land mit paradiesischen mediterranen und tropischen Pflanzen, angelegt in großen Gärten, zog einst Maler wie Claude Monet an. Zahllose Gewächshäuser reflektieren gleißend das Sonnenlicht. Hier baut die bedeutendste Schnittblumenindustrie Europas Gladiolen, Nelken und duftende Rosen an.

Wir fliegen in 1000ft  und mit 15 Knoten Gegenwind die Riviera entlang.  Lange, feinsandige Strände bieten Platz für die typisch italienischen Strandbäder mit ihren aneinandergereiht aufgestellten Liegen und Schirmen. Bei Albenga erscheint die  kleine, vorgelagerte Insel Gallinara im türkisblauen Meer, weitläufige Strände entlang der nahen Küste.

Unser Plan für Genua geht auf. Genua Approach erlaubt, die Küste bei Savona zu verlassen und den Golf von Genua in Richtung östlicher ligurischer Küste zu überqueren. Gut erkennbar ist die Piste des ins Meer gebauten Aeroporto Christoforo Colombo Genuas. Mit Kurs auf Portofino erreichen wir nach 10 Flugminuten über dem Meer die östliche ligurische Küste.

Dieser Teil der Riviera, die sogenannte Riviera de Levante, ist größtenteils schroff und felsig. Hier fällt das Apennin ins Meer. Den Küstendörfern bleibt häufig nur ein schmaler Küstensaum oder winzige Felsbuchten, in die sie sich idyllisch schmiegen. In romantischen Buchten glitzert das Meer im Sommerlicht.

Bei Sestri Levante verlassen wir die ligurische Küste, steigen zügig auf 6000 ft und überfliegen den Apennin unter wunderschönen Wolken. Auf sanfte Hügel folgen bergige Hochlandschaften  mit zahlreichen Weiden inmitten weitläufiger Wälder.

Dem Verlauf des wieder flacher werdenden Geländes folgend, öffnet sich nach 15 Minuten die endlos scheinende Weite der Po Ebene. Über dem nördlichen Emiglia-Romagna, zwischen Parma und Bologna, erscheinen weitreichende Weinanbaugebiete und saftige grüne Wiesen. Mailand Info melden wir den VFR Meldepunkt „Highway one“ , wechseln zu Padua Info und nehmen Kurs auf Ferrara. Es folgen flache Landschaften mit ausgedehnten Acker- und Reisfeldern.

Nördlich von Ferrara fließt der  Po, der als Wasserstraße ganz Norditalien durchfließt und diese riesige Ebene, die sich über 50 000 Quadratkilometer erstreckt, geschaffen hat. Wegen der hervorragenden Sicht erscheinen am Horizont sogar die Alpen. Wenig später taucht die hellblaue Adriaküste auf und der Lotse bittet, beim Überfliegen als VFR-Meldepunkte zunächst die  Küstenstadt Chioggia, die südlich von Venedig liegt, und dann Porto di Malamocco zu melden.

Kurz darauf sind der Lido und die märchenhaft anmutende Lagunenstadt in Sicht. Auf der Frequenz 118,525 funkt Venezia-Lido-Nicelli und verweist auf die Piste 23, die vom Meer aus angeflogen wird. Nach weniger als 4 Flugstunden landen wir sanft auf der schönen 1000 m langen Grasbahn.

Jahrzehntelang bewahrte der Aeroclub Venedigs den traditionsreichen Flugplatz, der fliegerischen Pioniergeist atmet, vor dem völligen Verfall. „Das Abfertigungsgebäude, ein Architekturjuwel im Art-Deco-Stil wurde in den 30er Jahren erbaut und vor einigen Jahren originalgetreu saniert“, erzählt der Barkeeper und mixt gutgelaunt einen Spritz. Zu Fuß geht´s mit Rucksack und Handgepäck zum nahegelegenen Hotel, um 4 Tage in Venedig zu verbringen. Abends werden im wunderschönen Flughafenrestaurant, das nicht nur Ziel für fliegende Gäste ist, italienische Meeresfrüchte zubereitet.

Am nächsten Morgen erstehen wir  Tagestickets für die Vaporettos; diese Wasserbusse sind das typische Verkehrsmittel Venedigs. Auf der Linie „Canale Grande“ führt die traumhafte Fahrt durch das hellblaue Wasser der Lagune und entlang fantastischer Aussichten auf die Stadt. Unzählige Boote sind hier unterwegs. Wir verlassen unser Boot und schlendern über den traditionsreichen Fischmarkt Venedigs.  Es macht Spaß, den Händlern und Kunden beim Verhandeln um Seespinnen und Muscheln zuzuschauen. Hier kaufen die Venezianer ihr Abendessen. Im lebendigen Labyrinth Venedigs bieten kleine Cafes in ruhigen Seitengassen ein Pausieren unter Einheimischen. Früh morgens und zur abendlichen blauen Stunde herrscht in der Stadt ruhige entspannte Stimmung und man ist beinahe allein unter den Venezianern. In einem schattigen ruhigen Restaurant werden köstliche, im Ganzen frittierte Strandkrabben und hausgemachte Spaghetti Vongole empfohlen. Beim Besuch der Kunstbiennale zeitgenössicher Kunst und Spaziergang durch die Ausstellungsgärten, die sogenannten Giardini,  mit ihren schattenspendenden Bäumen laden die spektakulären, beeindruckenden Inszenierungen in den Pavillions der an der Kunstschau teilnehmenden Länder ein.

Am späten Nachmittag nehmen wir ein Vaporetto nach Burano, einer etwas abgelegenen Laguneninsel, deren hübsche, kleine Häuser kunterbunt, karibisch anmutend, gestrichen sind. In einem in fünfter Generation geführten Restaurant werden typisch venezianische, in Essig gegarte Sardinen mit weißer Polenta und ein himmlisches Fischrisotto zubereitet. Man schmeckt die Adria.

Am nächsten Morgen lässt sich der Lido unbeschwert mit geliehenen Fahrrädern erkunden.  Am fröhlich, lebendigen Strand der Adria laden Strandliegen mit Sonnenschirm zum Baden in Sonne und Meer ein. Von den vielen schönen Sandstränden sind die meisten öffentlich. Am letzten Abend schlendern wir durch „La Serenissima“ (die Durchlauchteste), die seit 1987 zum Weltkulturerbe gehört und genießen die entspannte Stimmung der Stadt.

Mit wunderbaren Erinnerungen verlassen wir tags darauf den Flugplatz Nicelli und heben um 10.00 ab, um auf gleicher Strecke zurückfliegen. Doch der Apennin ist wolkenverhangen. Auch westlich von Genua ist kein offenes Tal aufzufinden; die Wolken liegen überall auf Bergen und Hügeln auf. Nach fast 3 Flugstunden entscheiden wir, einen Flugplatz im Inland anzusteuern. Mit neuem Kurs Richtung Nordost ist bald die Stadt Voghera erreicht, die am Fuße der ligurischen Alpen in der Po-Ebene gelegen ist. Der Flugplatz befindet sich zwischen sanften Hügeln und kleinen Dörfern in der schönen Landschaft der Lombardei und hat eine 1000-Meter-Asphaltpiste.

Im klimatisierten Flugplatzgebäude betreibt das tolle Team des örtlichen Aeroclub Voghera den Flugplatz und unterhält auch eine Flugschule. Gerne würden wir ihnen 100 Liter Avgas abnehmen,  müssen uns jedoch mit Weniger begnügen. „Ich kann euch leider maximal 50 Liter geben“, erklärt der Chef des Vereins, dessen Vorräte begrenzt sind. Das reicht zumindest für einen Weiterflug nach Cannes. „Ihr müsst noch warten, bis die Carabinieri kommen“, sagt Andrea Mariani, ein sympathischer Fluglehrer. „Wegen der gerade in Mailand stattfindenden Weltausstellung gelten erhöhte Sicherheitsvorkehrungen. Dazu gehört, dass jeder unangemeldet im Umkreis landende ausländische Pilot und jeder Passagier, polizeilich registriert und überprüft werden muss“, fährt er fort. „Ein deutscher Pilot mit einer französischen Piper in Italien…“, bemerkt wenig später der freundliche Carabinieri schmunzelnd.   

„ Siehst du, im gesamten Gebirgsstreifen staut sich die Bewölkung und verhindert ein Erreichen der Küste. Das ist hier oft so“, sagt Andrea zu Max  während sie gemeinsam die Wettervorhersage begutachten und einen Flugplan mit Ziel Cannes aufgeben.  Um 15.30 heben wir ab und mit Radarführung von Genua Approach gelingt es uns, die Wolkendecke zu umgehen und unter den Wolken an die Küste zu gelangen. Nachdem die Grenze überflogen ist, melden wir uns bei Nizza Info und wechseln wenig später zu Cannes Tower. Eingefädelt in den Gegenanflug zu Piste 17 landen wir nach 1,5 Stunden Flugzeit auf dem noblen Flughafen. Die Kosten für die Landegebühr können durch günstigeres Tanken wettgemacht werden, denn gegenüber Italien spart man in Frankreich pro Liter Avgas rund einen Euro.

Mit 15 Knoten Gegenwind fliegen wir dem abendlichen Aix entgegen und landen dort gegen 19 Uhr - viel später als geplant, aber mit tollen neuen Eindrücken.

Die vielfältigen Facetten der italienischen Landschaften  lassen uns bereits auf unserer Heimfahrt nach Frankfurt Urlaubspläne für das nächste Jahr schmieden.