Als Trio mit der Vereinscessna auf Schottland Ausflug (30.05.2024-02.06.2024) - Reisebericht von Gregor Thamm
Der DFS Fliegerclub macht jedes Jahr Ausflüge, bei denen erfahrene Piloten und Fluglehrer den weniger erfahrenen Piloten interessante Ziele im Ausland zeigen und ihnen helfen, sicher dorthin und wieder nach Hause zu kommen.
Zusätzlich zu den großen Clubtrips machen Andrej, Simon und ich pro Jahr mindestens eine Flugreise mit einem Clubflugzeug, die etwas „Besonderes“ sein soll. Besonders heißt, dass sowohl die An- und Abreise mit dem Flugzeug erlebnisreich sind als auch das Ziel bzw. die Flüge vor Ort. So waren wir zuletzt etwa in Bovec, Bergen und Tivat. Hier ist hervorzuheben, dass immer, wenn wir drei unterwegs sind, das Wetter planbar so gut ist, dass wir z.B. mühelos bei ruhigstem Hochdruckwetter mitten durch alle Alpentäler fliegen können oder dass wir an drei Tagen hintereinander praktisch alle Fjorde Norwegens zwischen Krisitiansand und -sund imTiefflug abfliegen können und so weiter.
Die Latte liegt also hoch, was die Auswahl von immer neuen Zielen angeht und zu Beginn des Jahres stand folglich die schwierige Frage im Raum, wohin es in 2024 denn bloß gehen solle. Termin war das Fronleichnamswochenende.
Da unsere Clubmaschinen nicht gerade Geschwindigkeitsrekorde brechen, dürfen die Ziele nicht zu weit entfernt liegen, was die Auswahl auch nicht gerade leichter macht. Eine Entfernung von 600 bis 700 Meilen ist da definitiv das Maximum, was – je nach Wind – mit zwei bis drei Legs zu erreichen ist.
„Schottland“ hieß es plötzlich aus zwei Richtungen, was mich nicht gerade elektrisierte. Ich dachte nur „weit“, „langweilig“ und „schlechtes Wetter“. Ach, stimmt ja, wenn wir zusammen aufbrechen, herrscht ja planbar immer stabiles Hochdruckwetter mit strahlender Sonne. Also zumindest immer noch weit und langweilig. Ich war schon ein paar Mal mit dem Flieger in UK und auch in Schottland, wollte aber beiden den Wunsch nach den Ziel nicht abschlagen, man kann schließlich aus jeder Reise etwas Besonderes machen. Schließlich konkretisierte sich die Planung in Richtung des alten Sehnsuchtsziels vieler Privatpiloten, dass man nur bei Ebbe ansteuern kann: Barra. Ein Flughafen auf einer Hebrideninsel, dessen drei Pisten der Sandboden einer Lagune bei Ebbe sind. Klingt sehr außergewöhnlich – und nur wenige haben sich bisher auf den Weg dorthin gemacht!
Gesagt, getan. Das Whiskey-Mekka Oban, das an der Süd-West-Spitze des Grabens liegt, der entlang Loch Linnhe, Loch Lochy und Loch Ness bis nach Inverness Schottland irgendwie in zwei Teile teilt, wurde als Basecamp ausgewählt, ein Hotel in Promenadennähe schnell gefunden. Normalerweise wählen wir nur IFR-Flugplätze als Basis für solche Trips, um zumindest mal sicher dorthin und wieder weg zu kommen. In dem Fall war das mit Oban leider nicht möglich, aber wen kümmerts, das Wetter würde ja eh perfekt werden!
Und so war es auch. Als wir am Donnertag, den 30. Mai aufbrachen, stand über dem Atlantik ein stabiles Hoch, dessen Ausläufer bis nach Großbritannien „hineindrückten“ und ausgezeichnetes Wetter bescherten. Nur der Wind kam mit rund 20 Knoten aus demselben Hoch heraus und für uns konstant direkt von vorne. Das machte die Anreise etwas beschwerlich und zwang uns, mit drei Legs zu fliegen. Das erste führte bei vergleichsweise schlechtem Wetter und viel IMC nach Southend, unser „Airport of Entry“. Dann ging es VFR weiter über Blackpool nach Oban.
Gewöhnungsbedürftig ist dabei immer wieder das britische Flugsicherungswesen. Im Gegensatz zu Deutschland (und eigentlich dem Rest der westlichen Welt), wo man entweder VFR fliegt und den FIS-Service in Anspruch nehmen kann oder IFR fliegt und sich dann praktisch gleichberechtigt „im System“ mit Lufthansa und Co. bewegt, gibt es hier noch eine dritte Welt. Diese ist der unkontrollierte Luftraum, der, vereinfacht gesagt, flächig überall dort ist, wo keine TMA benötigt wird und sich höhenbedingt kein Airliner jemals blicken lässt. Und das ist außerhalb der Ballungsgebiete London, Manchester, Liverpool, Edinburgh und Glagow eigentlich überall auf der Insel. Praktisch bedeutet das, dass dort alle Nicht-ATS-Streckengebührenzahler in ihrer eigenen Welt herumfallen dürfen, wie sie wollen - übrigens offiziell auch IFR in IMC,selbstverständlich ohne Flugplan und ATC – wenn man lieber für sich bleiben möchte – und das ganz legal. Da das Wetter auf der Insel planungsgemäß super war, entschieden wir uns, VFR weiterzufliegen. Ein IFR-Flug unter FL100 (mit oder ohne Flugplan), wäre – frei nach Loriot - möglich, aber sinnlos gewesen. Dann nach dem Abflug von Southend der Erstkontakt als VFR- Flieger mit einer Flugsicherungsstelle auf der Strecke und der unvermeidlichen genäselten Frage: „which service do you require?“. Dies klingt genauso rätselhaft wie serviceorientiert, bedeutet aber nur, das von vornherein festgelegt wird, wofür der Lotse haftbar zu machen sein könnte und wofür nicht. Diese Frage bestimmt hier den ganzen Flugverkehr. Jetzt muss man die vier britischen Service-Types kennen, um professionell parieren zu können. Diese sind der Basic- , Traffic-, Deconfliction- oder Procedural Service. Dass, je nach Radarabdeckung und sonstigen Rahmenbedingungen, mal nur ein Service zur Verfügung steht (Basic Service ohne Radar) ändert an der freundlichen Frage nichts.
Irgendwann hatten wir uns schließlich gegen den Wind nach Oban vorgekämpft und konnten bei bestem Sonnenschein die landschaftlich zugegebenermaßen eindrucksvolle Kombination aus Hebrideninseln, Küsten und Highlands genießen.
Am nächsten Tag gingen wir ins Örtchen frühstücken und brachen dann zu diversen Rundflügen auf, um die Gegend von oben zu erkunden. Der erst Trip führte nach Tiree, wo wir einen Übungsanflug machten und feststellten, dass es in UK zwar offizielle Öffnungszeiten von Flughäfen gibt, aber keine Betriebspflicht wie bei uns. Also kann es sein, dass der Flugplatz doch geschlossen ist – selbst wenn kein derartiges NOTAM vorliegt – was nur durch einen Vorab- Telefonanruf („Booking In“) zu klären ist. Jedenfalls machten wir einen Low Approach, umrundeten die Insel und flogen wieder zurück in Richtung Glenforsa, ein fantastischer Grasplatz auf einer weiteren Insel, wo ein Fly Inn mit viel Trubel stattfand. Leider waren wir ja jetzt nicht in Tiree am Boden, um unser „Booking“ in für Glenforsa zu machen, oh je, oh je. Der freundliche Lotse von Scottish Information (Traffic Service) bot aber an, dies für uns zu übernehmen, immerhin.
In Glenforsa traf sich eine sehr nette Szene aus britischen Privatpiloten, die ihrerseits das gute Wetter nutzten und einen Ausflug machten. Der Platz besticht nicht nur durch seine riesige gepflegte Grasbahn, sondern auch durch sein grandioses Flugplatzrestaurant nebst Hotelbetrieb im Blockhaus-Style. Auf der Restaurantterasse ließ es sich mehr als nur aushalten und wir beschlossen – wo es schon mal so schön war - am nächsten Tag nochmal vorbeizuschauen. Das „Booking out“ für den Abflug konnten wir direkt am Tresen erledigen, wo wir übrigens auch die Gelegenheit nutzten, das dort beworbene Hummergericht für den nächsten Tag vorzubestellen.
Am Samstag war es dann so weit. Irgendwie mussten wir doch nach Barra kommen! Die Kunst ist nicht, die 70 Meilen über das Meer nach Nordwesten zu fliegen und auf dem Strand zu landen, sondern den Slot zu kriegen, in dem Ebbe herrscht, der Platz geöffnet ist, das Wetter passt und die Platzlotsen einen sozialen Tag haben. Damit es nicht an uns scheiterte, waren wir ohne Frühstück, aber mit Rettungsinsel und Schwimmwesten bewaffnet, morgens um 7.30 Uhr am Flugplatz in Oban, uff. An diesem Tag gab es genau zwei 90 Minuten Slots in Barra, wo eine Twin Otter aus Glasgow die Insel anfliegen, und der Platz öffnen würde. Keine schlechten Arbeitszeiten für das Flugplatzpersonal!
Auch in Oban ging der Betrieb erst langsam los und wir mussten warten, bis wir tanken konnten. Durch unsere „Late Arrival“ am Vorabend war das im Voraus nicht möglich.
Allerdings ging die Towerlotsin von Barra sofort ans Telefon, was ein Glückstreffer war. Dass wir uns in den ersten Slot um 09.15 mit der Twin Otter quetschen wollten, fand sie nicht so toll, aber nach einigem guten Zureden, war sie einverstanden, dass wir mal - und zwar sofort – losfliegen würden, um dann vor Ort nochmal zu entscheiden. „Fair enough“, wie man hier so sagt – und „Booking in“ so gut wie erledigt.
Während meines Telefonats konnten meine Freunde auch tanken, allerdings mussten wir sofort bezahlen. Während wir die Landegebühren in Oban erst am Abreisetag bezahlen sollten, war man beim Sprit irgendwie besorgt, wir könnten vielleicht doch nie wieder kommen... So wurde der Abflug nach Barra noch durch einen nicht gerade unbürokratischen Bezahlvorgang verzögert.Allerdings sprechen wir auch von 450 Pfund – und zwar für 150 Liter Avgas, das ist sogar nochmal teurer als in Deutschland, was sagt man dazu?
Dann ging es endlich los. VFR, direct to. Wir hätten natürlich auch IFR fliegen können, schließlich hat Barra auch RNAV-An- und Abflugverfahren (wie war das noch gleich mit IFR on Non-Instrument Beaches, äh Runways...?), aber wir wollten es nicht noch weiter verkomplizieren. Als wir nach einer guten halben Stunde ankamen, war alles ganz entspannt, wir sollten die Piste 25 nehmen (es gibt drei festgelegte Pisten im Sand), die Twin Otter war gerade gelandet. Wir machten nochmal einen Low Pass, um uns einen Eindruck von der Landefläche zu verschaffen, dann flogen wir eine Platzrunde, um die Landung vorzubereiten. Ich war etwasverwirrt ob der Frage, wo an diesem Stand denn nun die Piste 25 genau sein sollte. Die Frage ist auch nicht trivial, denn nach jeder Flut fährt ein Servicewagen die „Pisten“ ab, um etwaiges Treibgut zu entfernen, welches das Flugzeug bei der Landung beschädigen könnte. Man kann also irgendwo im Sand landen, nur könnte da noch die Gallionsfigur einer versunkenen Galeere oder ähnliches rumliegen. Ok, also 25. Als Orientierungshilfe lud ich den RNAV-Approach RWY25 und bekam die akkurate Führung in den Endanflug angezeigt, aha. Der Anblick vor mir war dennoch nichts weiter als ein großer Sandfleck von ca. einem Kilometer Durchmesser, auf dem noch zahlreiche Wasserpfützen von der letzten Flut standen.
Der Sandboden war letztlich sehr verdichtet und hart und fühlte sich nach der Landung an, wie ein mittelmäßig gepflegter Grasplatz, also fliegerisch gar nicht so anspruchsvoll. Wir parkten so vor dem Flugplatzgebäude im Sand, dass wir die Twin Otter neben uns beim Taxi out nicht behindern würden. Als wir aus dem Flugzeug stiegen, kam sofort der Servicewagen angerast und ein Flughafenmitarbeiter wies uns panisch darauf hin, dass wir unsere Warnwesten anziehen müssten. Der Weg über das Vorfeld, um nicht zu sagen „über die Düne“ war zwar denkbar kurz, aber wir waren selbstverständlich einsichtig und natürlich maximal kooperativ.
Da der Flugplatz bald wieder schließen und dann sowieso die Flut kommen würde, konnten wir uns auf der zugebenermaßen schrillen Insel nicht lange aufhalten – wenn wir nicht bis 16.30 dableiben und warten wollten. Das wäre zwar prinzipiell möglich gewesen, aber das Flugzeug hätte dann knietief im Meerwasser gestanden, was auch keiner wollte. Übrigens waren wir wegen dieser ganzen Meerwasserthematik extra mit der Cessna geflogen. Normalerweise nehmen wir für diese Reisen unsere Piper Arrow, weil die zumindest ein bisschen schneller ist, aber bei diesem ganzen Salzwassergespritze ist ein Flugzeug mit Einziehfahrwerk mit denganzen offenen Klappen und Fächern in Rumpf und Tragflächen wegen der Korrosionsgefahr tabu.
Kurzum, schnell auf dem Tower guten Tag sagen (und „Booking out“!), noch ein paar Beweisfotos schießen und dann wieder los. Die Twin Otter war inzwischen schon wieder abgeflogen. Ob sie eine der Pisten im Sand nahm? Keine Ahnung, der Abflug war irgendwie von links nach schräg, es könnte die 33 gewesen sein. Ok, wohin jetzt als nächstes? - schließlich knurrte der Magen, wir hatten ja alle nicht gefrühstückt. Direct Glenforsa, wir hatten ja Hummer vorbestellt, dann also ohne Umwege direkt zurück zum Fly In zum Hummerfrühstück, Spitzenplan! Ach ja, „Booking in“ nicht vergessen. Also anrufen und sagen, dass man kommt, sprich dass, was im Flugplan steht und was man über Funk auch sagt, aber dreifach gemoppelt hält immer besser, jedenfalls in UK.
Beim Abflug in Barra ist zu beachten, dass man alle Checks zum Start an der Parkposition macht und nicht auf dem „offenen Meer“, wo man stecken bleiben und von der Flut überrascht werden könnte, denn dann wird’s richtig tief. Also alles checken dann zurück zur „25“ in Richtung Wasser rollen und bloß nicht mehr anhalten. Der Untergrund war bekannt fest und etwas rumpelig aber der Start dann auch nicht mehr so außergewöhnlich.
Nach gut 20 Minuten Flug waren wir wieder in Glenforsa und galten schon als Stammgäste und genossen den Aufenthalt in der prallen schottischen Sonne bei Hummer und regem Flugbetrieb. Manchmal mache ich mir aus der Frage „ist das Wetter hier immer so gut?“ einen Spaß, weil es witzig ist, wenn die gequälten Gesichter dann nach einer passenden Antwort suchen. Das hatte schon in Norwegen prima funktioniert. Am Nachmittag machten wir noch einen Rundflug entlang der Isle of Skye inkl. „Old Man of Storr“ und einem Tiefflug über Loch Ness. Erwartungsgemäß war dort keine Nessi weit und breit.
Am Sonntag ging es wieder heimwärts. Das Hoch war allerdings weitergezogen. Wir hatten plötzlich eine Overcast-Bewölkung, die in Oban fast auf dem Boden auflag. Aber da man hier im unkontrollierten Luftraum bekanntermaßen fast alles darf, sind wir frohen Mutes gestartet – übrigens mit IFR-Flugplan, was aber niemanden interessierte. Wie man sich aus der fjordartigen Landschaft ohne Sicht – übrigens unter Beibehaltung der IFR-Hindernisfreiheiten – herausfädelt, bleibt einem selbst überlassen. In UK ist das, vereinfacht gesagt, etwa so: im kontrollierten Luftraum wird alles gestaffelt, im unkontrollierten Luftraum ist („alles egal“) man auf sich gestellt. So gab es zum Einflug in die Glasgow-TMA auch keinen IFR Pick up, sondern schlicht eine Freigabe für den Luftraum D. Als wir die dann hatten, haben wir uns spontan besser gefühlt. Allerdings, einmal raus aus den System, südlich Newcastle, hieß es nur noch „stay out of controlled airspace“. Nie war ein IFR-Flugplan bedeutungsloser und konnte querab Stansted auch nur mit viel Mühe wieder in das Bewusstsein der Lotsen in der London TMA zurückgeholt werden.
Da der Nordwestwind anhielt, konnten wir den Rückweg deutlich schneller in zwei Legs via Southend erledigen. Statt 90 Knoten Groundspeed, wie auf dem Hinflug, waren es auf dem Rückweg über 130. Die Auswirkung dieses Windes auf die Reisezeit unseres nicht so schnellen Flugzeugs ist einfach immens.
Gregor Thamm