Alles vom All(erfeinsten)
In Speyer fängt die Pfalz an, Italien zu werden. Die romantische Altstadt lockt mit belebten Plätzen und südlicher Lebensart. Museen und Rheinufer bieten einen interessanten Kontrast und können gut zu Fuß erkundet werden.
„Macht euch auf nach Speyer“, so heißt es schon in Goethes Götz von Berlichingen. Die 2000-jährige Geschichte des Kaiserdoms lässt sich ebenso gut erforschen, wie die moderne Luft- und Raumfahrttechnik – Speyer ist eine Stadt der Gegensätze. Durch die zentrale Lage des Flugplatzes sind alle Sehenswürdigkeiten gut erreichbar. Im Norden grenzt das Technikmuseum an das Fluggelände, und die Altstadt ist von dort aus nur etwa 10 Gehminuten entfernt.
Ab Egelsbach führt der Flug entlang des Rheins durch das hessische Ried. Vom naturgeschützten Kühkopf bis zu den idyllischen Wasserlandschaften bei Altrip windet sich der Fluß durch die Landschaft. Dann ist der markant an einem Rheinknie gelegene Flugplatz Speyer in Sicht. Schon alleine der Anflug auf die Piste 16 rechtfertigt einen Speyer-Trip: In 1200 Meter MSL geht es zunächst im Gegenanflug entlang der Rheinschleife. Bei Eindrehen in den Endanflug scheint der Kaiserdom zum Greifen nah, und auch der hoch über dem Gebäude des Technik-Museums thronende Jumbo-Jet zieht in unmittelbarer Nähe vorbei.
Der Flugplatz mit modernem Tower ist als Verkehrslandeplatz klassifiziert und wird auch für gewerblichen Flug- und Werkverkehr genutzt. Parken im Hangar ist auf Anfrage möglich. Wer mag, kann sich gleich kostenfrei Fahrräder ausleihen. Der Ein- und Ausgang für Privatpiloten befindet sich am Nordende des Platzes, gleich beim Bistro Meridian. Im Sommer lässt sich das Treiben auf dem Flugplatz dort von der Außenterasse beobachten, doch im Winter ist es vor dem Kaminfeuer in der Wirtsstube definitiv gemütlicher.
Das Technik-Museum Speyer ist mit seinem Jumbo einer der Besuchsmagnete der Stadt. Über eine Treppe gelangen die Besucher zur Kabinentür und ins Innere des Airliners. Hinab geht es über eine Rutsche – ein bisschen Spaß muss sein! Auch eine Antonow An-22 kann bestaunt werden. Sie traf 1999 in Speyer ein, als der Flugplatz noch nicht ausgebaut war. Die Landung des größten in Serien gebauten propellergetriebenen Frachtflugzeuges glich der auf einem Flugzeugträger und bedurfte monatelanger Vorbereitung: Die Bäume in der Einflugschneise wurden gestutzt, ein Museumsgebäude um ein Stockwerk rückgebaut und Zäune am Ende der Landebahn entfernt.
Eine Ausstellungshalle widmet sich der modernen Raumfahrt von den Anfängen bis zur ISS. Von der Raumstation gibt es ein schönes Modell. Raumanzüge, Triebwerke und eine Sojus-Landekapsel im Original geben einen Einblick vom Wirken des Menschen im All Informationstafeln informieren zur Initiative „Die Astronautin“, die die erste Deutsche Frau ins Weltall bringen will. Da waren die russischen Forscher flotter: Sie entsendeten 1963 ihre erste Kosmonautin, Walentina Wladimirowna Tereschkowa, mit einer Wissenschaftscrew ins All. Wer mag, erklimmt den Raumgleiter vom Typ Buran und wirft einen Blick ins Cockpit des schwarz-weißen russischen Orbiters.
Ein Highlight erwartet die Besucher in der Ausstellung zum Mond: Zwischen Informationen zum Mondauto und Apollo-Missionen steht ein echter Mondstein. Überbracht wurde der 3,4 Milliarden alte, grau glitzernde Stein von Eugene Cernan, der als bislang letzter Astronaut und Kommandant einer Apollo-Mission im Jahr 1972 seinen Fuß auf den Mond gesetzt hat. Eine von Leonardo da Vinci entworfene und um 1500 erbaute Flugmaschine rundet die Schau um den ewigen Menschheitstraum vom Fliegen ab.
Wer sich nun etwas zurücklehnen möchte, besucht das IMAX Dome. Dort werden die Filme auf eine große Kuppel projiziert, sodass die Zuschauer sich mitten im Geschehen wähnen. Idealerweise wird das Ticket zu Beginn mit der Eintrittskarte erworben.
Zwischen dem Kaiserdom und dem mittelalterlichen Stadttor Altpörtel herrscht indes lebensfrohes Treiben. Im Sommer locken Straßencafes mit Espresso und Cappuchino, verbreiten italienisches Flair und verleiten zu Müßiggang. Sie reihen sich perlschnurartig in den Altstadtgassen ein, zwischen gelblich und ockerfarben gestrichenen Fassaden barocker Bürgerhäuser.
Der Kaiserdom zu Speyer gilt als eines der Hauptwerke romanischer Baukunst in Deutschland und wurde von der UNESCO 19821 in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen. Die damaligen Herrscher, beginnend mit Konrad II, wollten mit dem monumentalen Bau aus rotem Sandstein dem Papsttum ebenbürtig entgegentreten und ihren Machtanspruch demonstrieren. In der Krypta befinden sich unter anderen die Ruhestätten von salischen, staufischen und habsburgischen Kaisern und Königinnen sowie mehreren Bischöfen.
Auch Boots- und Wandertouren zum Speyerer Auwald, den Altrheinarmen und der Insel Horn klingen verlockend. Im Sea-Life-Aquarium Speyer kann man die vielfältige Unterwasserwelt entdecken – rund 1000 Meerestiere aus 100 Arten leben in den großen Becken. Am Rheinstrand beim Aalkutter „Paul“, ein Relikt aus den Zeiten der Aalfischerei, laden Chill-out-Betten und Hängematten zum Verweilen ein. Von dort aus lassen sich die gemächlich vorbeituckernden Schiffe und Lastkähne gut beobachten.
Nach all den Eindrücken wird es Zeit, an den Rückflug zu denken. Der Ausflug wird in guter Erinnerung bleiben – auf Wiedersehen, Speyer!
Text und Bilder: Max und Sabine Unger